Barock - was ist das denn?
Ein typisches Kennzeichen des Barock ist die Tendenz zum Gesamtkunstwerk. Was in dieser Epoche gebaut oder künstlerisch geschaffen wurde, sollte einen gemeinsamen Zug haben und harmonische Ensembles bilden.
Das
ist besonders gut in noch bestehenden barocken Kirchen zu erkennen, in denen
Architektur, Plastik und Malerei nicht nur miteinander harmonieren, sondern
sogar ineinander übergehen – so kann ein Putto, eine Wolke
oder ein Vorhang am Rand eines Gemäldes in Form von Stuck plötzlich plastische
Gestalt annehmen. Oder es streben Säulen einem Deckengemälde zu
und verwandeln sich dort zu Scheinarchitektur. Außerdem sollte sich die Kunst
vom Gebäude ausgehend in der Landschaft fortsetzen. Ein gutes Beispiel
ist Schloss Versailles, wo der Park mit den Wasserspielen,
dem Kanal, den Bosketten, den Blumenrabatten und
den Statuen wichtige Teile des Gesamtkunstwerks sind.
Das Barock entwickelte sich etwa ab der Mitte des 16. Jahrhunderts aus
der Renaissance.
Die barocke Epoche löst die auf Einheit und Ruhe zielende Kunst der Renaissance
ab. Teils wurden die klare Gliederung und klassische Formelemente wie Säule, Pilaster, Gebälk übernommen,
die sich architektonisch aber weiterentwickelten. Die Liebe zur Symmetrie lässt
sich gut an den (Haupt-)Fassaden ablesen: eine unregelmäßige Anzahl von meist
vor- und rückspringenden Gebäudeteilen erlebt in der Mitte ihren Höhepunkt, wo
ein mehrachsiger Bauteil häufig von Dreiecks- oder Segmentgiebeln bekrönt
wird. Ein im Zentrum liegendes Portal erfährt eine meist prunkvolle Ausstattung
mit Säulen- oder Pilasterschmuck, Statuen und dem Wappen des Bauherrn. Generell
herrschte ein großer Formenreichtum und eine Freude an der Bewegung, sowohl an
der Architektur (Konkav-Konvex-Schwünge an der Fassade, Bewegung des
durchgehenden Gebälks durch Vor- und Rücksprünge des Mauerwerks) wie auch in
Bildhauerei und Malerei. Die meisten Kunstwerke der Epoche scheinen von einem
Wind durchweht, und die Figuren – Statuen und auf Gemälden – führen teils
starke Bewegungen aus.
Im Unterschied zur Renaissance, die eine bürgerlich geprägte Epoche war,
entwickelt sich Barock zur Kunst der Fürsten. König Ludwig XIV erfand für sich
den Absolutismus. Seine Devise hieß L´état c´est moi (Der
Staat bin ich), dessen architektonischer Ausdruck sich in dem von ihm geprägten
Schloss wiederfindet. In der Mitte des Gebäudes, wo sich das Schlafzimmer mit
dem prunkvollen Bett des Königs befindet, treffen alle strahlenförmig
ausgehenden Linien zusammen. Dort befindet sich das Zentrum der Macht, von dort
aus herrscht der König über Frankreich und über die Kolonien. Seine Ideen, die
die Architektur und die Parklandschaft, aber auch das Zeremoniell betreffen,
werden von den (deutschen) Fürsten auch noch so kleiner Fürstentümer mit
Begeisterung übernommen.[6]
Die römisch-katholische Kirche hatte
nach dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs einen großen Machtschub zu
verzeichnen. Es war ihr gelungen, durch die Gegenreformation viele
abtrünnige Gläubige zurückzugewinnen, wobei ihr entgegenkam, dass sie unter den
vielen Mächten, die am Dreißigjährigen Krieg beteiligt waren,
als einziger Sieger hervorgegangen war. Das wurde in zahlreichen, neu gebauten
Kirchen zelebriert, deren Architektur und Innenausstattung die Eintretenden
beeindrucken sollten (wie es auch schon in der Gotik der Fall
war). Architektur und Künste wollten erstaunen und überwältigen, die
Prunkentfaltung erlebte eine Hochphase. In Folge dieser Entwicklung entstanden
die meisten barocken Kirchen in den katholischen Ländern Europas, sowie
in Süd- und Mittelamerika,
während man in protestantischen Gebieten an der Architektur der Gotik
festhielt.
Die Kunstform, die Zeitgeist und Zeitgefühl des Barock besonders stark
widerspiegelte und die mehrere Künste in sich vereinte, war die um 1600 in
Italien entstandene Oper. Musik, Gesang, Dichtkunst, Malerei,
(Schein-)Architektur und
die neuartigen und staunenswerten Effekte der Bühnenmaschinerie, zu denen Feuerwerke und Wasserkünste gehörten,
strebten wie die Architektur in Richtung Gesamtkunstwerk.
Wie schon in den Epochen zuvor entstanden auch im Barock Regelbücher, von
denen das Werk Andrea Pozzos Perspectiva pictorum et
architectorum (mehrere Ausgaben ab 1693) mit theoretischen und
praktischen Anleitungen eines der populärsten für Architektur und Kunst war
(siehe das Bild Entwurf für einen Altar). Es entstanden aber auch
andere künstlerische Regelwerke und „Gebrauchsanweisungen“ zur Produktion von
Kunstwerken. Unter anderem verfasste Martin
Opitz 1624 mit dem Buch von der Deutschen Poeterey ein
erstes deutschsprachiges Werk mit Anweisungen für regelgeleitetes Dichten. In
Frankreich setzte die Académie Française die Normen des Regeldramas fest,
an die Gottsched anknüpfte. In der Musik
wurden die Notationssysteme perfektioniert, um die
Reproduzierbarkeit und Präzision des Spiels in immer größeren Ensembles zu
erhöhen.[7]
Parallel zu Architektur und Kunst schuf man im Barock auch Regeln und Normen
für den Alltag, die vor allem den Umgang der Menschen bis ins kleinste Detail
regelten. Ihren Höhepunkt erreichte die Entwicklung im barocken Zeremoniell,
das nicht nur das korrekte Verhalten an einem Kaiser-
oder Königshof regelte, sondern auch das höfliche Verhalten der
Untertanen zueinander. Besonders genau ausgearbeitet wurde die Zeremonie des
Begrüßens, wobei detailliert beschrieben wurde, wer (ein sozial
Niedrigstehender) wem (einem sozial Höherstehenden) wie viele Schritte
entgegengeht. Dabei wurde z. B. dem Aufeinanderzugehen im Stiegenhaus besondere
Bedeutung zugemessen, das im Barock als Teil der Architektur so groß und
feierlich wie möglich ausgestattet wurde. Generell kann man festhalten,
dass das Gesamtkunstwerk alle Teile des Lebens erfasste Wer sich in (pompöser)
Ausstattung und mit vollendeten Umgangsformen unter
Menschen begab, spielte eigentlich Theater. Leben, Grüßen und das
Sich-zur-Schau-Stellen unter Einhaltung bestimmter Regeln fanden wohl niemals
zuvor und danach in einer derart ausgeklügelten Form statt.
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